Südbaden-Cup 1. Juli 2012

In beiden Champions Finalmatches - sowohl im Main als auch in der Consolation - war diesmal reichlich Anschaungsmaterial für das Thema "Treffer während des bearoffs" geboten.
Ob solch ein Treffer vom 1-Punkt-Anker erfolgt oder auch von einem anderen Anker oder der bar oder nach einem Backgame, so sind die resultierenden Stellungstypen doch praktisch identisch. Weil das Herausspielen gegen einen 1-Punkt-Anker am häufigsten der Fall ist, hat sich in der Backgammon-Literatur für diese Art von Stellungen der Fachbegriff "post-ace-pt-games" eingebürgert ("nach-dem-1-Punkt-Spiel").

Das Finale Champions Main

Das Champions-Main Finale auf 13 Punkte zwischen Werner Frey und dem Autor wurde praktisch schon im allerersten Spiel des Matches entschieden:

Score: Weiss Werner Frey 0 : 0 Rot Michael Schoppmeyer ( Match auf 13 Punkte)

Rot hat 51 zu spielen

MiSscore: 0
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
|2X2X2O2X2X2X|   | ' ' ' ' ' '|
|                   |   |                   |
|       1 5       |   |                 |
|2O2O2O2O2O2O| 2 |1O ' ' ' ' '|
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
WFreyscore: 0

Der Autor muß gegen das 3-Punkt-Spiel von Werner herausspielen. Auch wenn er erst mal froh ist, keine 3 gewürfelt zu haben, ist die 51 auch kein Wunschwurf. Wenn Rot 6/5 6/1 spielt, gibt es Unfallmöglichkeiten durch die ungerade Steinanzahl auf dem hintersten Punkt; nach 5/off 5/4 kann das gap zum Problem werden. Beide Varianten sind in etwa gleich unsicher; Michael zeigt mit 5/off 5/4 Mut zur Lücke, da das Herausspielen eines Steines zumindest die Chance auf das Gammon erhöht.

Doch im nächsten Wurf heißt es Farbe zu bekennen:

Rot hat 43 zu spielen

MiSscore: 0
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
|2X2X2O3X '2X|   | ' ' ' ' ' '|
|                   |   |                   |
|       3 4       |   |                 |
|2O2O3O2O2O2O| 2 | ' ' ' ' ' '|
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
WFreyscore: 0

Jetzt muß Rot doch den Schuß lassen. Wo soll man den Treffer geben? Auf der 6 mit 6/2 4/1 oder auf der 4 mit 4/1 4/off?
Für den ersten Moment erscheint es sicherer, 4/1 4/off zu spielen; dann hat der Gegner nur die 1 zum treffen während nach 6/2 4/1 neben der 3 auch noch die Kombination mit der 21 trifft. Zudem ist das Sicherheitspolster durch jeden extra herausgespielten Stein größer, für den Fall, dass man getroffen wird. Trotzdem ist es i.d.R. besser, den Schuß hinten zu geben. Der Grund ist das follow-up: den hinteren blot kann man leicht aufräumen, wenn man nicht getroffen wird. Läßt man den Schuß vorne bietet man dem Gegner eventuell zweimal eine Zielscheibe. So daß unter dem Strich das von Michael gewählte 6/2 4/1 doch der sicherere Zug ist. (Die Computeranalyse zeigt aber, dass man hier trotzdem 4/off 4/1 versuchen kann; nicht weil es sicherer ist, sondern weil man durch das Herausspielen eines Steines seine Gammon-Aussichten erhöht.)

Werner hat seine Chance genutzt und getroffen. Bald darauf entsteht folgende Position:

Weiß hat 62 zu spielen

MiSscore: 0
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
|3X3X '2X ' '|   | ' ' ' ' ' '|
|                   | 1X|                   |
|                 |   |       2 6       |
|2O3O3O3O2O2O| 2 | ' ' ' ' ' '|
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
WFreyscore: 0

Ein weiteres Problem, welches sich nach einem Treffer beim bearoff stellt, sehen wir hier: Kann Weiß es sich angesichts von 6 herausgespielten Steinen des Gegners noch erlauben, mit 6/off 6/4 sicher abzutragen oder muß er sein bearoff mit 6/off 2/off forcieren? Hier ist die "4-extra-off-Faustregel" hilfreich: Wenn der Gegner nach der eigenen Zugausführung maximal 4 Steine mehr draussen hat, so soll man den Zug auf jeden Fall sicher spielen - sind es mehr, muß man u.U. bereit sein zu riskieren (das hängt dann aber noch vom konkreten Nutzen ab; die Erläuterung der Fälle im einzelen würde hier zu weit führen). Für unser Beispiel hieße dies: hätte Rot erst 5 Steine draussen, sollte Weiß den Zug mit 6/off 6/4 sicher spielen; er kann sich das erlauben, weil der Unterschied bei den herausgespielten Steinen nach dem Herausnehmen nur eines Steines nur noch 4 beträgt. Im aktuellen Spiel hat der Gegner aber bei 6 Steinen off nach dem safety-play 6/off 6/4 immer noch 5 Steine mehr draussen; wir müssen also gemäß unserer Faustregel das riskante Spiel 6/off 2/off in Betracht ziehen. Tatsächlich ist das von Werner gewählte 6/off 2/off hier auch der beste Zug. Der Hauptnutzen dieses Zuges liegt vor allem im guten Dopplerhebel, wenn Rot nun tanzt.

Werner spielt 6/off 2/off; Michael verpasst.

Weiß am Wurf - Doppler-Aktion?

MiSscore: 0
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
|3X3X '2X ' '|   | ' ' ' ' ' '|
|                   | 1X|                   |
|                 |   |       [4]       |
|2O2O3O3O2O1O| 2 | ' ' ' ' ' '|
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
WFreyscore: 0

Bevor man bei einem bearoff einen Treffer landen kann, hat der Gegner oft bereits so viele Steine herausgespielt, daß selbst nach dem Treffer der Sieg noch in weiter Ferne ist. Das dritte und vielleicht schwierigste Kapitel beim Thema "Treffer beim bearoff" ist daher die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für den recube. Auch hier soll es mit der vereinfachten Faustregel erstmal genügen, und auch hier ist es eine "4-extra-off-Faustregel" (diesmal jedoch 4 Steine Unterschied vor dem eingenen Wurf): Der gute Zeitpunkt für den Recube ist gekommen, wenn man beim Herausspielen bis auf 4 Steine verkürzen konnte und der Gegner sich dann immer noch auf der bar befindet. Ob man als Gegner dann noch ein take hat oder nicht ist dagegen nicht so einfach zu beantworten und hängt im wesentlichen von der bearoff-Geschwindigkeit der beiden boards ab (speedboard/slowboard, gaps etc.).

An dieser Stelle gibt Werner den Doppler; mit 2 Steinen draussen gegen 6 Steine draussen ist das weiße Redoppel optimal. Rot bräuchte nun ein speedboard (alle 8 Steine auf den drei tiefen homeboard-Punkten versammelt); dann könnte er annehmen. Wegen des gaps, das später beim Herausspielen nochmal einen ganzen Wurf kosten kann, ist das take von Michael bereits leicht fragwürdig (-1.04).

In der Zwischenzeit hat sich das Blatt wieder gewendet; der Schreiber konnte mit seinem letzten Mann in Sieben-Meilen-Stiefeln wieder ums Feld eilen, während bei Werner durch Sicherheitszüge und einen Pasch-2 mehr weiße Steine auf dem 1er-Punkt gelandet waren als ihm lieb war.

Rot am Wurf - Doppler-Aktion

MiSscore: 0
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
|4X3X '1X ' '| 4 | ' ' ' ' ' '|
|                   |   |                   |
|       [8]       |   |                 |
|5O '2O ' ' '|   | ' ' ' ' ' '|
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
WFreyscore: 0

In dieser 4-Wurf-Stellung redoppelt Michael auf 8; Werner als Weißer kann aktzeptieren, da er nicht nur die drei Versuche auf den Pasch hat, welche ihm die Vier-Wurf-Stellung bietet, sondern zusätzlich auch noch ein direkter gegnerischer Fehlwurf mit 31 oder 32 hilfreich zur Seite steht - ein klares take.

Und tatsächlich gelingt Werner im vorletzten Wurf nochmal die Wende...

Weiß hat 33 zu spielen

MiSscore: 0
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
|4X ' ' ' ' '|   | ' ' ' ' ' '|
|                   |   |                   |
|                 |   |       3 3       |
|6O ' ' ' ' '| 8 | ' ' ' ' ' '|
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
WFreyscore: 0

Den Pasch-3 vermochte Michael nicht mehr zu kontern.

Der Turnierorganisator versuchte in der Folge noch, durch aggressives Dopplerspiel zu verkürzen, konnte den hohen Rückstand jedoch nicht mehr aufholen, da Werner Frey sich hier auf nichts mehr einließ:

Rot am Wurf - Doppler-Aktion?

MiSscore: 1
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
|2X2X2X1O2X2X|   | '1X1X ' '3O|
|                   |   |                   |
|                 | 1 |                 |
|1X '2O '3O2O|   |2O '2O ' '2X|
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
WFreyscore: 8

Bei gleichem Matchstand hat Weiß trotz der roten Angriffsdrohung ein einfaches take, da Rot nahezu die gleichen Schwierigkeiten haben wird, seinen Einzelstein zu befreien, wie Weiß, den seinen zu retten. Mit einer 8:1 Matchführung ist es aber keine schlechte Politik, die cubes, die zu einem gedoppelten gammon führen könnten, einfach wegzupassen. Werner passt (GNU sieht auch bei der hohen Matchführung noch 40% an Siegchancen für Weiß und ein take (-.900), trotz eines 30% Gammon-Risikos).


Das Consolation Finale

Im Consoltation-Finale war Claus Weissbarth etwas dichter dran als der Autor im Main, den hohen Matchrückstand gegen Sefik Manci noch mal umzubiegen. Er lag in dem Match auf 11 zunächst 8:1 und dann 9:2 hinten, konnte sich auf 9:6 heranarbeiten und hatte dann im folgenden Spiel die Chance, durch ein Gammon sogar in Führung zu gehen oder sogar ein Backgammon zum Matchgewinn zu scoren:

Score: Weiss Manci 9 : 6 Claus Rot ( Match auf 11 Punkte)

Rot hat 41 zu spielen

CWeissbarthscore: 6
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
|3O3X1O4X2X '|   | ' ' ' ' ' '|
|                   |   |                   |
|       1 4       |   |                 |
| '2O2O3O2O2O| 2 | ' ' ' ' ' '|
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
SManciscore: 9

Gegen Mancis Backgame stellt sich auch für Claus die Frage "Wo läßt man den Schuß?". 5/off läßt mehr unmittelbare Trefferwürfe (20) für den Gegner als der hit 4/off 4/3* (15), aber nach 5/off hat man anschließend eine sichere Fortsetzung und außerem auch einen Punkt geklärt; deshalb ist das von Claus gewählte 5/off trotz des mehr an Treffern die sicherere Variante (aber auch hier wird die andere Spielweise 4/off 4/3* durch ein mehr an Gammons und Backgammons aufgewogen - es ist also wieder eine Münzwurfentscheidung).

Weiss hat 61 zu ziehen

CWeissbarthscore: 6
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
|3O3X1O4X1X '|   | ' ' ' ' ' '|
|                   |   |                   |
|                 |   |       1 6       |
| '2O2O3O2O2O| 2 | ' ' ' ' ' '|
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
SManciscore: 9

Manci hat verpasst und spielt 24/17. Doch zwei Würfe später ist es wieder soweit:

Rot hat 21 zu spielen

CWeissbarthscore: 6
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
|2O4X1O3X ' '|   | ' ' ' ' ' '|
|                   |   |                   |
|       1 2       |   |                 |
| '2O2O3O2O2O| 2 | ' ' ' ' '1O|
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
SManciscore: 9

Rot muß erneut den Schuß geben, Claus spielt 4/3* 2/off

Weiß hat 53 zu spielen

CWeissbarthscore: 6
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
|2O3X1X2X ' '|   | ' ' ' ' ' '|
|                   |   |                   |
|                 |   |       3 5       |
| '2O2O3O2O2O| 2 | ' ' ' ' '1O|
|                   | 1O|                   |
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
SManciscore: 9

Die zweite Chance läßt sich der Schweizer nicht entgehen und trifft mit der 3.

In der weiteren Folge spielte Claus irgendwann mit einer 21 wieder ein und mußte dadurch im homeboard einen weiteren blot machen. Den zweiten Stein auch noch einzufangen gelang Manci jedoch nicht, trotz intensiver Bemühungen und beharrlicher Weigerung sein Homeboard zu schließen. Ergebnis all dieser Verrenkungen war dann die folgende Position:

Weiß hat 22 zu spielen

CWeissbarthscore: 6
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
| '4X '1X ' '|   | ' ' ' ' ' '|
|                   | 1X|                   |
|                 |   |       2 2       |
|1O4O2O2O2O2O| 2 | ' ' ' ' ' '|
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
SManciscore: 9

Nach einigem Überlegen entscheidet Manci sich dafür, keinen Treffer mehr zuzulassen und spielt 2/off(2) 3/1(2). Nach diesem Zug hat der Gegner aber immer noch 5 Steine mehr herausgespielt. Auch hier greift unsere "4-extra-off-Faustregel". Weiß soll riskieren und 2/off(4) versuchen - nicht zuletzt wegen der Rückschußmöglichkeit im gegnerischen homeboard.

Nun wird es sehr dramatisch:

CWeissbarthscore: 6
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
| '4X '1X ' '|   | ' ' ' ' ' '|
|                   | 1X|                   |
|                 |   |       4 3       |
|3O2O '2O2O2O| 2 | ' ' ' ' ' '|
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
SManciscore: 9

zunächst nimmt Manci mit einer 43 heraus

CWeissbarthscore: 6
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
| '4X '1X ' '|   | ' ' ' ' ' '|
|                   | 1X|                   |
|                 |   |       3 6       |
|4O2O ' '2O2O| 2 | ' ' ' ' ' '|
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
SManciscore: 9

Als nächstes hat der Schweizer, nachdem Claus immer noch auf der bar steht, eine 63 zu ziehen.

CWeissbarthscore: 6
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
| '4X '1X ' '|   | ' ' ' ' ' '|
|                   | 1X|                   |
|       3 6       |   |                 |
|4O2O1O '2O '| 2 | ' ' ' ' ' '|
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
SManciscore: 9

Diese Chance kann Claus nutzen und den blot im homeboard zu treffen.

CWeissbarthscore: 6
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
| '4X '1X ' '|   | ' ' ' ' ' '|
|                   |   |                   |
|                 |   |       4 6       |
|4O2O ' '2O '| 2 | ' '1X ' ' '|
|                   | 1O|                   |
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
SManciscore: 9

Doch Manci vermag von der bar zielsicher zu kontern.

CWeissbarthscore: 6
+--1--2--3--4--5--6-+---+--7--8--9-10-11-12-+
| '4X ' ' ' '|   | ' ' '1O ' '|
|                   | 1X|                   |
|       1 5       |   |                 |
|4O2O ' '2O '| 2 | ' '1X ' ' '|
+-24-23-22-21-20-19-+---+-18-17-16-15-14-13-+
SManciscore: 9

Nachdem es Sefik Manci nun doch noch gelungen war, den zweiten Stein auch noch zu holen - wenngleich auch unter ganz anderen Unständen als ursprünglich geplant - hatte Claus Weissbarth nicht mehr das Glück, um dem noch mal etwas entgegenzusetzen; der Schweizer behielt nun die Oberhand um siegreich aus der Consolation hervorzugehen.